
Die Ausbreitung des Coronavirus macht vielen Menschen Angst. Durch die Maßnahmen der Bundesregierung und anderer Regierungen hat sich der Alltag für viele völlig geändert. Gewohnte Routinen sind nicht mehr möglich, soziale Beziehungen, für die meisten von uns ein wertvoller Teil des Lebens, können nur mit physischer Distanz weitergeführt werden. Viele fühlen sich beengt in den „eigenen vier Wänden“ – und innerhalb dieser vier Wände steigen nicht selten Überforderung und Aggression.
Diese Situation fordert uns erheblich heraus – und verlangt von uns, dass wir uns, zumindest für eine gewisse Zeit, neu orientieren und strukturieren. Wesentlich dabei ist, das seelische Gleichgewicht nicht zu verlieren. In Anlehnung an die DGPPN (Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde.) hat das Gesundheitszentrum Eggelsberg dafür fünf Tipps:
1. Informieren Sie sich gut und richtig!
Beziehen Sie Ihre Informationen nur über vertrauenswürdige und seriöse Quellen, etwa von der österreichischen Bundesregierung: www.oesterreich.gv.at oder vom Robert-Koch-Institut in Deutschland: www.rki.de. Vermeiden Sie ein „Googlen“ zum Thema oder zu bestimmten Subthemen im Internet (die Gefahr, sich zu „verlieren“ oder bei Fake-News „hängenzubleiben“ ist sehr groß). Achten Sie auf die „richtige Dosis“ an Medienkonsum zum Thema Corona; exzessiver Medienkonsum, Pushnachrichten am Handy etc. können Stress erzeugen und Sorgengedanken verstärken. Schaffen Sie in den Familien medien- und coronafreie Zeiten im Alltag.
2. Gestalten Sie den Alltag positiv!
Wenn gewohnte Strukturen und Routinen des Alltags wegfallen, dann ist es normal, dass sich zunächst Unsicherheit und Orientierungslosigkeit einstellen. Strukturieren Sie den Alltag neu, schaffen Sie neue Fixpunkte und Routineabläufe. Feste Zeiten für Schlaf und Mahlzeiten helfen dabei, innere Stabilität zu bewahren. Wenn Sie im home office arbeiten, empfiehlt es sich, ähnliche Zeiten einzuhalten wie am Arbeitsplatz. Achten Sie bei der Gestaltung des Alltags vor allem auch darauf, dass Aktivitäten und Gewohnheiten dabei sind, die zum körperlichen und seelischen Wohlbefinden beitragen. Gönnen Sie sich gesunde Mahlzeiten, nehmen Sie sich die Zeit, miteinander zu kochen, achten Sie auf ausreichend Schlaf, auf Bewegung (Spazierengehen und z.B. Gymnastikübungen zuhause) und auf Aktivitäten, die Spaß machen und gut tun.
3. Tauschen Sie sich aus mit anderen und helfen Sie einander!
Auch wenn direkte Begegnungen mit anderen zur Zeit nicht möglich sind, nutzen Sie die elektronisch-medialen Möglichkeiten für regelmäßigen Austausch mit Freunden und für Begegnungen „der anderen Art“ (Videoanrufe, Skype-Konferenzen, etc.). Gehen Sie spielerisch und kreativ an diese elektronischen Begegnungen heran, etwa indem Sie fixe Begegnungszeiten schaffen und die „Videokonferenzen“ mit bestimmten Ritualen koppeln (z.B., 17-Uhr-Tee mit einer Freundin oder 10h-Vormittagskaffeepläuschchen mit einem Kollegen, Sonntags-Skypekonferenz mit der erweiterten Familie – Eltern, Großeltern, Geschwister…). Der Austausch mit Freunden und Familienangehörigen über Sorgen und Gefühle zu Corona, auch das bewusste Fragen und Zuhören („Wie geht’s denn dir damit?“, „Wie gehst du damit um?“ ) kann entlasten und Stress reduzieren. Insbesondere für ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen ist es wichtig, jetzt mit ihren Ängsten sich nicht alleine gelassen zu fühlen. Ein kurzer Anruf bei der Nachbarin oder beim Nachbarn kann hier viel bewirken. Die Unterstützung anderer Menschen, etwa indem Besorgungen oder Einkäufe übernommen werden, kommt nicht nur diesen Menschen zugute, sondern erzeugt auch bei den Helfern positive Gefühle, die sich wiederum auf die seelische und körperliche Gesundheit positiv auswirken.
4. Negative Gefühle anerkennen, positive Gefühle verstärken!
Ängste, Sorgen, Ohnmacht, Wut, Traurigkeit – diese „negativen“ Gefühle sind ganz normal in der gegenwärtigen Corona-Situation. Auch Überforderung und Stress sind adäquate Reaktionen auf Ereignisse und Dinge, die – eben – überfordernd sind! Aus psychotherapeutischer Sicht ist es wichtig, diese negativen Gefühle anzuerkennen und sich zuzugestehen. Oft wollen wir Gefühle wie Angst oder Ohnmacht „nicht haben“ und versuchen sie „loszuwerden“; dass dies nicht gelingt, kann aggressiv machen. Häusliche Gewalt bzw. Gewalt in der Familie resultieren oft aus Ohnmacht und Überforderung. Die Angst (auch vor dem eigenen Versagen) auszusprechen und sich die Überforderung einzugestehen, kann entlasten. Dann ist der erste Schritt getan und neue Handlungsmöglichkeiten können sichtbar werden. Auf diese Weise gewinnen wir ein Stück Freiheit zurück – auch und gerade in einer Zeit, in der sehr viel „von außen“ bestimmt wird. Gleichzeitig können wir uns aber auch aktiv vornehmen, uns nicht zu sehr in negative Gefühle hineinzusteigern. Konzentrieren wir uns stattdessen besonders auf Gedanken, Erlebnisse und Aktivitäten, die positive Gefühle auslösen. Das können ganz einfache Dinge des Alltags sein wie etwa der Morgenkaffe, die wohlige Wärme der Frühlingssonne auf der Haut, schöne Musik – oder auch wieder einmal Urlaubsfotos anzuschauen.
5. Wenn es Ihnen sehr schlecht geht: professionelle Hilfe suchen!
Wenn Sie das Gefühl haben, dass Angst und Sorgen „überhand“ nehmen bzw. diese nicht mehr alleine bewältigen zu können, sollten Sie professionelle Hilfe suchen. Hausärzte, niedergelassen Psychotherapeuten und –therapeutinnen und die Ambulanz der Klinik für psychische Gesundheit in Braunau a. I. sind hier geeignete erste Anlaufstellen. Im Gesundheitszentrum Eggelsberg stehen dafür neben den Ärzten Dr. Clemens Schwarz und Dr. Sabine Schwarz auch der Psychotherapeut Dr. Gilbert Weiss-Lanthaler zur Verfügung (siehe Kontaktdaten der Ärzte/Therapeuten auf gesundheit-eggelsberg.at). Es gibt dazu auch neue Angebote an Telefon- und Video-Beratung bzw. Therapie, die mit der Österreichischen Gesundheitskasse abrechenbar sind. Auch bundes- oder landesweit eingerichtete Telefon-Hotlines können genutzt werden, etwa das oberösterreichische Krisenhilfe-Sorgentelefon: 0732/2177 oder die Frauenhelpline gegen Gewalt: 0800 222 555.
Autor: Dr. Gilbert Weiss-Lanthaler (Psychotherapeut)
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